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Alles im Fluss – mit dem Schiff durchs Mekongdelta

Gemächlich schiebt sich das Schiff durch das schlammig braune Wasser des Mekong. Satt grüner, fast undurchdringlich erscheinender Urwald säumt die Ufer. Ab und zu zeigt sich eine Hütte, Rauch von Küchenfeuern steigt auf, Kinder spielen lachend im Wasser und winken begeistert, sobald die Mekong Eyes in Sichtweite kommt.

Ich sitze ganz oben auf dem Deck des alten umgebauten Reisfrachters, der heute als Hotelschiff durch die Seitenarme des Mekongdeltas kreuzt. Neben mir stehen die Kids an der Reling und bestaunen das rege Treiben der vorbeifahrenden Fracht- und Hausboote, meterhoch beladen mit Obst und Baumaterialien.

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Vor wenigen Stunden sind wir in Cần Thơ an Bord gegangen. Nach einer kurzen Sicherheitseinweisung durften wir unsere Kabinen beziehen. Als vierköpfige Familie haben wir zwei nebeneinanderliegende der insgesamt 14 Kabinen des Schiffes erhalten. Die holzvertäfelten Räume sind verblüffend gut ausgestattet. Im Bad kommt man kaum auf die Idee, sich im Inneren eines alten Holzschiffes zu befinden, so modern ist es. Und durch die große Panoramascheibe hat man eine perfekte Aussicht auf den Mekong. Die Kids testen lieber erstmal den Balkon und beobachten von dort aus das Ablegemanöver.

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Wenig später haben wir die größte Stadt des Mekongdeltas mit ihren Hochhäusern hinter uns gelassen. Jetzt wird es an den Ufern immer ländlicher. Mit laut knatternden Motoren ziehen die Frachtkähne in ihre Dieselwolken gehüllt an uns vorbei, große Stahlschiffe, kleine Holz-Sampans, manch abenteuerlich aussehende Eigenkonstruktion.

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Dass der Fluß hier das Leben bestimmt, ist nicht zu übersehen. Ganze Familien leben auf den Schiffen, inklusive Großeltern, Hunden und Hühnern. Sie transportieren Waren durch das dichte Netz der Flussarme. Das 39.000 Quadratkilometer große Mündungsgebiet des Mekong verfügt über so gut wie keine Straßen und nur wenige Brücken. Mangrovensümpfe und Schwemmlandboden prägen das Bild. Das Schwemmland ist äußerst fruchtbar und wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Wegen der jährlichen Produktion von sechzehn Millionen Tonnen Reis wird die Region auch “die südliche Reiskammer Vietnams” genannt. Neben dem Reisanbau leben viele Familien von der Fischzucht und der Anpflanzung tropischer Früchte, Gemüses, Zuckerrohrs und Kokosnüssen. All diese Waren werden über das feingliedrige Netz der Kanäle, die das gesamte Gebiet wie ein Spinnennetz überziehen, abtransportiert. Aber auch für die an Land lebenden Menschen ist der Mekong Lebensader und Lebensmittelpunkt zugleich. Mit und an seinem Wasser wird gewaschen und gearbeitet, gebadet und gespielt.

Einzig zum Kochen und Trinken ist das Mekongwasser nicht geeignet, wie wir wenig später bei einem Landausflug in ein kleines Dorf am Ufer erfahren. Wer die grün-braune Brühe betrachtet, die da gegen den Schilfgurt schwappt, wundert sich wenig. Gerade noch hatten wir während der Überfahrt mit einem kleinen Beiboot über die Schwimmwesten gewitzelt, die wir aufgrund eines Gesetzes für die wenigen Meter von der Mekong Eyes zum Uferstreifen anziehen mussten. Wer als Tourist in das vermutlich mit unzähligen, ungewohnten Keimen angereicherte Flusswasser fällt, hat wahrscheinlich ganz andere Probleme als das Schwimmen an sich.

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Im Dorf sind wir mittlerweile bei einer Familie angekommen. Stolz zeigt uns der Bauer seinen Besitz. Das Haus besteht im Wesentlichen aus einem einzelnen gemauerten Raum, in dem die ganze Familie schläft. Gekocht wird unter freiem Himmel, direkt neben den Ställen für die Tiere. Überall ums Haus finden sich die charakteristischen großen Tonkrüge, deren Format in etwa einer deutschen Regentonne entspricht. Und genau das ist auch ihre Aufgabe. Anschluss an ein Wasserleitungsnetz gibt es hier nicht. Zum Kochen und Trinken wird daher Regenwasser in den Krügen aufgefangen und danach möglichst sparsam eingesetzt. Schließlich weiß man nie genau wann der nächste Wolkenbruch kommt. Die Kids interessiert das weniger. Sie sind stattdessen vom Kind des Hauses fasziniert, denn der Kleine hat zwei ganz besondere Haustiere. In zwei Drahtkäfigen liegen riesige Pythonschlangen. Besonders aktiv sind sie nicht. Das würde daran liegen, dass sie schwanger seien, erklärt uns der Guide. Die Familie verdient sich mit der Schlangenzucht ein Zubrot zu ihrem landwirtschaftlichen Einkommen. Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, was aus den Nachkommen der beiden Käfiginsassen wird. Man ist in Vietnam mit Tieren nicht zimperlich. Auch geschützte Arten landen gerne mal auf dem Teller, in der Schnapsflasche oder zu Pulver gemahlen in einer traditionellen Apotheke.

Zurück an Bord wird es auch schon bald Zeit für das Abendessen. Aufgetragen wird in einer schier nicht endenden Reihe von Gängen und es ist einfach köstlich. Klar, dass den Kids nicht alle der traditionellen vietnamesischen Gerichte schmecken. Aber bei der riesigen Auswahl finden auch sie etwas nach ihren Vorstellungen. Danach sitzen wir noch bis spät in die Nacht mit den anderen Gästen an Deck der inzwischen für die nächsten Stunden ankernden Mekong Eyes. Die drückende Schwüle des Tages ist einer angenehmen Wärme gewichen. Auf dem Fluss und an seinen Ufern wird es allmählich ruhiger. An einigen Stellen brummt ein Generator und Neonbeleuchtung unterbricht hier und da die dunkle Silhouette des Urwalds. Fledermäuse segeln über uns hinweg und aus dem Wald schallt das einsame Rufen der Flughunde.

Am nächsten Morgen ist sehr frühes Aufstehen angesagt. Nach einigen Tagen in Vietnam kennen wir das schon, auch wenn ich nicht behaupten möchte, dass wir uns daran gewöhnt hätten. Außer in den Großstädten richtet sich fast überall im Land der Lebensrhythmus nach dem Stand der Sonne. Dementsprechend früh beginnt der Tag und dementsprechend früh endet er auch wieder. Das gilt auch für Touristen. Aber die Crew entschädigt ihre Gäste für den fehlenden Schlaf mit einem einladenden Early-Bird-Buffet an Deck des Schiffs. Später, nach der Rückkehr vom folgenden Ausflug, wird dann noch ein ausführlicher Brunch folgen.

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Jetzt aber warten auf uns rund um das Schiff Frauen in den typischen kleinen Sampans, die nur mit purer Muskelkraft fortbewegt werden. Diese schmalen Holzboote haben einen sehr geringen Tiefgang und erlauben es, in die engen Kanäle im Dickicht der Ufer einzufahren. Was vom Fluss aus wie ein undurchdringlicher Urwald aussieht, öffnet sich bei der Einfahrt zu einem Sammelsurium kleiner Inseln, die allesamt dicht besiedelt sind. Schulkinder radeln zwischen den Hütten und Häusern umher, Nachbarn halten einen Plausch, aus einem Tempel dringt der monotone Gesang der Mönche herüber.

Zurück auf dem Schiff ist es dann leider auch schon wieder Zeit zum Packen. Unser zweiter Tag an Bord der Mekong Eyes neigt sich dem Ende zu. Bevor es allerdings von hier aus weiter nach Saigon geht, steht noch ein letzter Ausflug an, die schwimmenden Märkte von Cái Bè. Hier befindet sich eine der wenigen großen Brücken des Mekongdeltas, die Cái Bè mit den Routen Richtung der nördlich gelegenen Ballungszentren auf dem Festland verbindet. Daher ist der Ort Hauptumschlagplatz für die Waren aus dem Mekongdelta. Wurden einst alle Waren direkt von Boot zu Boot gehandelt, hat sich aufgrund eines besseren Straßennetztes mittlerweile ein Großteil des Handels an Land verlagert.

Sicherlich fortschrittlich und praktischer für die Händler, trauern die Touristen den alten Zeiten nach. Die pittoresken Bilder, die man von so einem schwimmenden Markt vor Augen hat, gibt es so nur noch eingeschränkt. Die Zahl der Handelsboote ist deutlich gesunken, nur vereinzelt noch sind die Kähne zu kleinen Inseln zusammengebunden, von denen aus Frauen und Männer ihre Waren feilbieten. Dafür überrascht die Stadt nach einer weiteren Flusskurve mit ihrer gotischen Kathedrale, die plötzlich hinter der flachen Uferbebauung auftaucht. Nicht unbedingt der Anblick, den man mitten in einer Region, die von einem Mix aus buddhistischen, konfuzianistischen und taoistischen Weltanschauungen geprägt ist, erwarten würde.

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Am Nachmittag heißt es für uns dann Ausschiffen. Mit dem Auto geht es weiter ins drei Stunden entfernte Saigon. Die beiden Tage an Bord der Mekong Eyes haben viele lebendige und bunte Eindrücke hinterlassen. Direkt aus dem ruhigen und ländlichen Delta kommend, in dem nicht nur der Fluss sondern auch das Leben in seinem eigenen Tempo gemächlich dahinzufließen scheint, treffen uns der Lärm, die hektische Betriebsamkeit und das Verkehrschaos Saigons fast wie ein Schlag.

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Und während ich beim Abendessen auf einem Balkon am Turtle Lake Roundabout, an dem es weit und breit keine Schildkröten gibt, der aber auch spät nachts noch von einem wild kreiselnden, lärmenden und hupenden Schwarm von Motorrollern umrundet wird, die vergangenen Tage vor meinem inneren Auge vorbeiziehen lasse, wünsche ich mich zurück auf das blank polierte Holzdeck des vergangenen Abends.

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Zurück zu dem Fluss, der sanft vor sich hinschaukelt und auf dem die Stille nachts, nachdem die Sonne im sattgrünen Dickicht der Urwaldbäume versunken ist und den Himmel in ein kitschig schönes Farbspiel aus Rot und Pink getaucht hat, von nichts als den Rufen der Flughunde, der klagenden Musik, die vom Ufer herüberweht und dem vereinzelten Blubbern eines Dieselmotors unterbrochen wird.

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There is 1 comment

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  1. Sabine

    Liebe claudia,

    das hört sich echt super an! Da hätte ich auch gleich Lust auf einen Trip auf dem Mekong.
    Toller Artikel und schöne Fotos.

    Liebe Grüße,
    Sabine


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