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Isla Taboga – Panamas verwunschene Insel

Ich wache zum Krähen der Hähne auf. Draußen ist es noch stockdunkel. Bis zu diesem Tag dachte ich, dass die Tiere den Sonnenaufgang begrüßen. Von dem ist aber noch keine Spur zu entdecken. Vorsichtig, um die Kinder nicht zu wecken, schleiche ich aus dem Bett und setze mich auf die Terrasse.

Mein Zeitgefühl ist völlig aus dem Takt, der Jetlag. Gestern sind wir aus Deutschland nach Panama geflogen. 24 Stunden haben wir gebraucht, bis wir die Isla Taboga, eine gute Fährstunde vor Panama City im Pazifik gelegen, erreicht hatten. Ich bin alleine mit den Kindern unterwegs. Der vergangene Tag war anstrengend. Gerne hätte ich noch ein bisschen geschlafen. Aber so sitze ich nun hier und starre auf die paar funzligen Lichter im Dorf unter mir, um mich herum kreischen die Hähne und ich muss unweigerlich an Brathähnchen denken.

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Obwohl die Sonne noch gar nicht aufgegangen ist, lässt die Hitze des Tages sich schon erahnen. Auch nachts bleibt es heiß und schwül. In den Häusern gehen die ersten Lichter an, der eine oder andere Einwohner läuft durch die Gassen. Viel ist nicht los auf Taboga. Es gibt so gut wie keine Autos, kaum Übernachtungsgäste und nur ca. 1.000 Bewohner. Die meisten von ihnen leben in dem kleinen Ort direkt am Fähranleger, der Rest der Insel ist mit tropischem Regenwald bewachsen.

Das Leben auf Taboga geht einen unglaublich ruhigen Gang. Viel kann man hier auch nicht tun. Einige der Männer arbeiten als Fischer, es gibt ein paar Bauarbeiter und ein paar Kioskbesitzer, die auf die Tagesgäste aus Panama City warten. Taboga ist nur mit dem Boot zu erreichen. Morgens gegen 10 legt die einzige Fähre an und verlässt die Insel am späten Nachmittag wieder. Mit ihr kommen ein paar Ausflügler aus Panama City, die sich hier ein paar entspannte Stunden am Strand machen wollen. Wenn sie am Nachmittag wieder verschwunden sind, ist man mit den Einwohnern und einer handvoll anderer Übernachtungsgäste alleine.

Die Insel nennt sich selbst „enchanted island“ und ein bisschen verzaubert oder verwunschen wirkt sie in der Tat. Alles hier hat einen morbiden Charme. Der bunte Putz der Fassaden bröckelt, auf den Leergrundstücken könnte mal aufgeräumt werden, Hähne, Hennen und Küken sind in rauen Mengen unterwegs, und überall streichen Katzen umher. Ein Kiosk und ein Tante-Emma-Laden verkaufen das allernötigste zur Grundversorgung, es gibt keine Bars, jedenfalls keine geöffneten, zwei Restaurants und zwei Imbisse, von denen die meisten am Abend geschlossen haben.

Trotzdem hängt der Insel ein unglaublicher Charme an, der einen sofort in den Bann zieht. Direkt aus dem hektischen, europäischen Alltag in diese langsame Welt einzutauchen, in der die Menschen nach dem Takt des Sonnen Auf- und Untergangs leben und ihren Rhythmus der Hitze des Tages angepasst haben, ist faszinierend. Die unglaubliche Entschleunigung des Lebens hier wirkt zutiefst beruhigend.

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In der Morgendämmerung werden auch die Kinder wach. Es ist erst 6.30 Uhr und wir haben Hunger. Also steigen wir in unsere Flip-Flops und wandern los. Am Fähranleger dämmert flackerndes Neonlicht aus einer Kioskbude. Viel gibt es hier nicht. Mit unserem Frühstück aus übersüßem, schwarzen Kaffee im Plastikbecher, Keksen und zwei Dosen Fanta, setzen wir uns an den Strand. Ein einzelner Mann ist zu sehen, der seine bunten Sonnenschirme in den Sand steckt. Er hofft auf einige Ausflügler aus Panama City, denen er sie später zu 5 Dollar das Stück vermieten wird.

Die Fähre kommt und wir sehen zu, wie die Handvoll Soldaten, die hier stationiert ist, sich bereit macht. Als wir gestern nach der 24stündigen Anreise, einer frühmorgendlichen Landung um 5 Uhr und einer rasanten Taxifahrt durch das völlig Rushhour-Chaos von Panama City, müde und verschwitzt aus dem kleinen Fährboot kletterten, war ich über den Anblick noch einigermassen verblüfft. Gerade hatte ich den tonnenschweren Rucksack für drei Personen mit letzter Kraft auf den Rücken bugsiert, als ich ihn auch schon wieder abnehmen musste. Alle Nicht-Einwohner, die mit der Fähre eingetroffen waren, wurden aufgefordert ihr Gepäck auf der einen Seite des Steges abzustellen und dann mit etwas Abstand gegenüber zu warten. Kurz darauf erschien der grimmig dreinblickende Soldat mit einem Spürhund und ließ ihn die Taschen und Pakete untersuchen. Erst danach wurde uns mit einer Handbewegung bedeutet, dass wir die Insel betreten durften. Was für ein herzlicher Empfang. Der einzige Taxi-Pickup war inzwischen mit einigen Einheimischen abgefahren, also machte ich mich bei 38 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von gefühlten 100 % samt Gepäck und quengelnden Kids alleine auf die Suche nach unserer Appartement, nur um festzustellen, dass wir eine verdammt steil ansteigende Gasse den Berg hoch klettern mussten. Der Vierjährige war nur noch mit der wenig verlockenden Aussicht, hier einfach zurück gelassen zu werden, dazu zu bewegen, den Marsch anzutreten.

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Umso herzlicher fiel dafür die Begrüßung durch Jeanette und Thijs aus. Das amerikanisch-niederländische Paar lebt schon seit vielen Jahren als Teil der kleinen Aussteiger-Gemeinschaft auf Taboga und vermietet einen Teil ihres Hauses an Besucher. Erschöpft fielen wir im Schlafzimmer unter dem Fan aufs Bett und verschliefen den ersten Nachmittag fast vollständig.

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Die folgenden fünf Tage waren von einem unglaublich relaxten Gleichmaß bestimmt. Wir passten uns dem Rhythmus der Insel und ihrer Bewohner an, standen morgens um 5 mit dem ersten Hahnenschrei auf, wanderten ein bisschen durch die Gassen, holten uns unser Frühstück am Kiosk, sahen den Fischern beim Ausnehmen und Schuppen ihres Fangs zu und verbrachten viel Zeit am Strand. Mittags zog es uns in die kleine und sehr charmante, farbefrohe Beachbar Calaloo, deren einfache und karibisch angehauchte Küche unglaublich köstlich ist, zu einem kurzen Schnack mit der Besitzerin Cynthia, die hier als Aussteigerin lebt. Die Abende verbrachten wir auf der Dachterrasse des einzigen Bed & Breakfast auf der Insel, das neben 7 Zimmern auch über das einzige am Abend geöffnete Restaurant verfügt, und schauten den Lichtern der Ozeanriesen zu, die sich in der Ferne zur Passage des Panamakanals aufreihten.

Nie hätte ich gedacht, dass der Start zu unserer Panama-Reise, alleine mit zwei kleinen Kindern, so entspannt werden könnte. Als wir auf der Fähre zurück in die Stadt saßen und die Insel langsam im Hintergrund verschwand, waren wir alle ein bisschen melancholisch. Sicher, die Isla Taboga ist kein klassisches Ferienparadies. Es fehlt an Infrastruktur. Der Ort müsste aufgeräumt und renoviert werden. Die Strände, so nah an der Millionenmetropole Panama-City und der Einfahrt zum Panamakanal, mit seinen riesigen Fracht- und Containerschiffen, werden vermutlich niemals zu den paradiesischsten auf Erden zählen.

Aber die Insel hat Charme. Und was für einen! Das sah auch Paul Gauguin so, der sich hier niederlassen wollte. Dieser Teil ihrer Geschichte ist immer noch der große Stolz der Einwohner, von der auch zahllose Wandmalereien im Stil des Impressionisten zeugen. Irgendwie passt es zu Taboga, dass Gauguin dann doch nach Tahiti weiterzog, und statt mit den Impressionen von der kleinen Insel vor der Küste Panamas, mit seinen Bildern aus der Südsee berühmt wurde. Wir haben auf Taboga, fernab aller Südsee-Klischees, jedenfalls unser persönliches Robinson-Eiland gefunden und vermissen die verwunschene Insel.

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