Open Doors, Open Hearts – Shinta Mani Foundation
Staubtrocken zieht die Landschaft an den Fenstern unseres Autos vorbei. Karg und ausgedörrt liegen die Felder unter der unerbittlich herabbrennenden Sonne. Nur das vereinzelte Grün der Mangobäume, deren Wurzeln tief unten in der Erde scheinbar noch einen Rest Wasser finden, durchbrechen die Wolken aus rotem Staub, die von den Mopeds, Ochsenkarren und Bussen aufgewirbelt werden.
Ein Stück weiter spielt eine Gruppe Kinder in einem schlammig-braunen Wasserloch, das jetzt am Ende der Trockenzeit eher einer Pfütze gleicht. Dann biegt unser Wagen von der Hauptstraße ab. Immer weiter holpern wir über sandige Feldwege, ein paar abgemagerte Büffel versperren den Weg. Hinter einer letzten Biegung erreichen wir schließlich unser Ziel. Ein Dorf, bestehend aus wenigen, auf Stelzen aufgebauten, Hütten. Die Dächer und Wende sind aus Palmwedeln zusammengebunden. Durch die Eingangsöffnung blickt man in einen einzigen, unmöblierten Raum.
Frauen und Kinder versuchen hier im Schatten, der Nachmittagshitze auszuweichen. Männer sind keine zu sehen. „Manche von ihnen arbeiten in der Stadt. Aber viele gehen als Tagelöhner ins Ausland, da sie hier keine Arbeit finden“, erklärt uns Alex, Manager der Shinta Mani Foundation, der uns heute Nachmittag begleitet. Häufig käme es vor, dass sie in der Ferne eine neue Familie gründen. Zurück bleiben Großmütter, Ehefrauen und kleine Kinder, praktisch ohne Lebensgrundlage. Die nur eine knappe Autostunde entfernte Stadt Siem Reap, in der der Tourismus boomt und ein Hotel nach dem anderen aus dem Boden sprießt, ist für sie unerreichbar. Meist haben sie nicht einmal ein Fahrrad, mit dem die Kinder in die theoretisch kostenlose Schule fahren könnten.
Theoretisch deswegen, weil viele Dorfschulen schließen müssen. Die staatlichen Gehälter für Lehrer reichen nicht zum Überleben. Viele suchen sich daher einen anderen Job. Manch einer verfällt auch der in Kambodscha allgegenwärtigen Korruption. Die dann geforderten Zusatzzahlungen, mit denen der Lehrer versucht sein Gehalt aufzustocken, können sich viele Eltern nicht leisten. Ebenso wenig wie die benötigten Schuluniformen und Unterrichtsmaterialien.
Es sind die Nachwirkungen des gerade erst vor gut einem Jahrzehnt beendeten Bürgerkriegs, des Pol Pot Regimes, das 1.7 Millionen Kambodschaner das Leben kostete und die Fesseln der Korruption, die Kambodscha lähmen und es zu einem der ärmsten Länder der Erde machen. Während man in kaum einer anderen asiatischen Stadt so viele SUVs der 100.000 Dollar plus Klasse herumfahren sehen kann wie in Phnom Penh, lebt ein Großteil der Landbevölkerung in bitterer Armut. Zwei Drittel haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Typhus und andere Erkrankungen sind die Folge. Das Monatseinkommen auf dem Land liegt bei gerade einmal 140 Dollar pro Familie. 80 % der Anbauflächen werden mit Reis bewirtschaftet, in den trockeneren Regionen mit nur einer Ernte pro Jahr.
Hilfe erhalten viele der Menschen dabei nur von einer der zahlreichen NGOs, die sich im Land tummeln. Doch auch hier finden sich viele schwarze Schafe. Andere Organisationen meinen ihr Hilfsangebot durchaus gut, verfehlen aber aufgrund mangelnder Regionalkenntnisse vollständig das Ziel.
Genau hier setzt die Shinta Mani Foundation an. Hilfe zur Selbsthilfe beschreibt die Arbeit der Organisation dabei am besten. Ihre Effizienz erreicht sie dadurch, dass sie von lokalen Mitarbeitern betrieben wird, die die Bedürfnisse der Menschen und der Region präzise kennen. Ihre Gelder bezieht die Foundation aus Spenden des Shinta Mani Club Boutiquehotels in Siem Reap, das gerade erst von Tripadvisor auf Platz 3 der besten Hotels weltweit gekürt wurde, und aus Spenden der Gäste.
Entstanden ist die Organisation aus einem ganz pragmatischen Grund, einem Mangel an gut ausgebildeten Hotelfachkräften. Dieser führte 2004 zur Gründung der Shinta Mani School of Hospitality, die es sich zur Aufgabe machte, junge Menschen aus unterprivilegierten Familien kostenlos im Hotelwesen auszubilden. Schnell erkannte man, dass die Bedürfnisse der Region weit über diese Bemühungen hinaus gehen.
Zwar gehört Siem Reap zu einer der prosperierendsten Regionen in Kambodscha. Über zwei Millionen Besucher im Jahr werden von den historischen Tempelanlagen rund um Angkor Wat angezogen. Sie alle zahlen im Durchschnitt 40 Dollar Eintrittsgeld. Das Geld jedoch fließt nicht in die Region, sondern in die Taschen einer einzelnen Familie, die die historischen Stätten von der Regierung „gepachtet“ hat. Natürlich schafft der Tourismus auch Arbeitsplätze, doch ist die Stadt für viele der etwas entfernter lebenden Menschen unerreichbar. Nicht jede Familie kann sich eine entsprechende Transportmöglichkeit leisten. Einnahmen aus den überall in der Stadt aus dem Boden schießenden 5 Sterne Hotelanlagen, fließen häufig zurück an die internationalen Betreiberketten. Schon der Kauf eines einfachen Tuk-Tuks, als Grundlage für eine Selbstständigkeit und Teilhabe an den Einnahmen aus dem Tourismus, ist der Landbevölkerung nicht möglich.
All diese Probleme hat die Shinta Mani Foundation zu ihren Aufgaben gemacht. Heute unterstützt die Organisation eine Vielzahl von Projekten. Angefangen beim Bau von Brunnen, über Minikredite als Grundlage für eine Selbstständigkeit und die Weiterbildung der Landbevölkerung. Sogar eine eigene Lehrfarm hat die NGO aufgebaut. Hier unterrichten sie lokale Bauern darin, wie sie die Erträge ihres Bodens durch den Anbau anderer Früchte zwischen den jährlichen Reisernten verbessern können. Kinder werden mit Fahrrädern und den notwendigen Schulutensilien ausgestattet, um ihnen den Schulbesuch zu ermöglichen und im Hotel selbst arbeiten, abgesehen von Teilen des Managements, ausschließlich Mitarbeiter aus der Region. Fünf Dollar aus dem Erlös jeder Übernachtung gehen in die Finanzierung der Foundation, ein Weekend-Markt auf dem Hotelgelände ermöglicht den Verkauf von Kunsthandwerk und regionalen Produkten. Einmal pro Woche können interessierte Hotelgäste die Community-Projekte der Foundation besuchen. Hier machen sie sich selbst vor Ort ein Bild von der Arbeit der Organisation. Die meisten sind begeistert und spenden direkt im Anschluss. Für nur 140 Dollar kann man so zum Beispiel den Bau eines Brunnens für eine Familie ermöglichen.
In dem Dorf bei Siem Reap haben wir inzwischen unseren Rundgang beendet. Wir haben einen kleinen Laden besucht, der aus einem Start-up-Kredit finanziert wurde, uns von einer stolzen Mutter und deren Kindern ihren Brunnen vorführen lassen, einen Tuk-Tuk-Fahrer getroffen, der mit dem gespendeten Fahrzeug erfolgreich seine Familie ernährt und auf der Farm der Foundation gelernt, welche Entwicklungsmöglichkeiten für die regionale Landwirtschaft bestehen. Überall fanden sich Plaketten, die Namen und Heimatland der Spender nennen. Das macht die Arbeit der Shinta Mani Foundation transparent, ebenso wie die monatlich veröffentlichten Spendenbelege, und unterscheidet sie von vielen anderen NGOs. Direkt nach der Rückkehr ins Hotel gehen wir zur Rezeption und lassen und ein Kreditkartenformular geben. Für nur 140 Dollar wird in den nächsten Wochen eine weitere Familie Zugang zu sauberem Trinkwasser erhalten. Und tatsächlich, kaum sind wir zurück in Deutschland, finden wir „unseren“ Brunnen auf der Facebook-Seite der Shinta Mani Foundation wieder.
Waren wir schon vorher von den extrem freundlichen Mitarbeitern des Hotels und seinem stilvollen Ambiente schwer begeistert, so gefällt uns der Aufenthalt nun noch viel besser. Wer durch Kambodscha reist, kann sich der allgegenwärtigen Armut nicht verschließen. Umso befriedigender ist es zu sehen, dass hier geleistete Unterstützung auch direkt vor Ort ankommt.
Weiterlesen -> Shinta Mani Club – Boutiquehotel Siem Reap
[…] und herzlichen Mitarbeiter, die meisten von ihnen ausgebildet von der hoteleigenen NGO Shinta Mani Foundation. Nicht ohne Grund wurde das Shinta Mani von Travel+Leisure und Condé Nast Traveller 2014 mit dem […]