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Die Fischer und der Tourismus – Song Saa Foundation

Als Melita und Rory Hunter zu einem Abenteuertrip durchs Koh Rong Archipel im Süden Kambodschas aufbrechen, entdecken sie eines der letzten unberührten Inselparadiese der Welt. Aber das Paradies hat ein gewaltiges Problem.

Wer die Geschichte von Melita und Rory zum ersten Mal hört, hat fast den Eindruck sie wäre direkt einem dieser Reiseratgeber entsprungen. „How Travel Can Change your Life“ oder „10 Reasons Why Traveling Will Change You Forever“, so oder so ähnlich müsste der Titel lauten. 2005 zogen die beiden Australier für zwölf Monate nach Kambodscha – und verließen das Land doch erst zehn Jahre später. In der Zwischenzeit gründeten sie eine Hilfsorganisation, kauften eine Insel, adoptierten einen Sohn und bauten Kambodschas erstes Luxusresort.

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Koh Rong statt New York

Die Geschichte beginnt mit einem Zufall. Eigentlich waren die beiden Australier gerade dabei nach New York auszuwandern, als Rory ein äußerst attraktives Angebot erhielt. Phnom Penh, Kambodscha, die Leitung einer Werbeagentur. Kurzerhand verschoben sie ihre New York Pläne um ein paar Monate und stürzten sich ins Abenteuer. Wie sehr das ihr Leben verändern würde, ahnten sie damals wohl noch nicht.

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Fährt man von Phnom Penh aus vier Stunden lang Richtung Süden, erreicht man das ehemals königliche Seebad Sihanoukville. Majestätisch ist es heute eher nicht mehr, dafür eine beliebte Partydestination für Backpacker aus aller Welt. Das wahre Paradies dagegen verbirgt sich auf den Inseln, die vor der Küste liegen. Melita und Rory erhielten damals den Tipp von einem Khmer-Freund. Er erzählte ihnen, dass vor der Küste Sihanoukvilles eine einmalige Inselwelt läge, auf der nur Fischer leben würden, inmitten von kristallklarem Wasser, üppigen Urwäldern und außergewöhnlich schönen Stränden. Kurzerhand mieteten sie ein Fischerboot an und machten sich auf, in Richtung der Inseln. Tatsächlich fanden sie unberührte, schneeweiße Sandstrände, von dichtem Urwald überwucherte Eilande und türkisfarbene Lagunen. Aber sie fanden auch bittere Armut und eine Bevölkerung, die mit einem gewaltigen Problem kämpfte: dem Müll.

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Kniehoch häuften sich Plastikflaschen, Verpackungen und Tüten in den Dörfern und entlang der Strände. Teils wurden sie vom Festland angespült, teils von den Bewohnern selbst weggeworfen. In den vergangenen Jahrzehnten hatten die vermeintlichen Errungenschaften der westlichen Welt auch in Kambodscha Einzug gehalten. Kekse, Chips und Lebensmittel in bunten Zellophanfolien, Wasser und Limonaden, abgepackt in unverrottbaren Plastikflaschen. Nur eine Müllentsorgung, die war leider nicht mitgeliefert worden und das vom Bürgerkrieg geschüttelte Land hatte lange ganz andere Sorgen. Bis heute hat Kambodscha kein staatliches Müllentsorgungssystem. Und bis vor wenigen Jahrzehnten war das auch gar nicht nötig. Die Menschen lebten von der Hand in den Mund. Die wenigen Waren, die eingepackt zum Verkauf angeboten wurden, waren in Bananenblätter gewickelt. Wurden sie nicht mehr benötigt, ließ man sie fallen und wenig später waren sie verschwunden – ganz im Gegensatz zu Plastik und Kunststoff.

Gekommen um zu bleiben

Kambodscha steht mit diesem Problem nicht alleine da. Wer häufiger in Länder der 3. Welt reist, kennt den Anblick. Müll türmt sich entlang der Straßen, Plastiktüten hängen, vom Wind hierhergetrieben, in Baumkronen und Büschen. Bäche, Rinnsale und Abwasserkanäle sind mit Abfällen verstopft. Man sieht es, man bedauert es, der eine oder andere spendet vielleicht an ein lokales Projekt und danach fährt man nach Hause.

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Nicht so Melita und Rory, sie beschlossen etwas gegen die Missstände zu unternehmen. Das war die Geburtsstunde der Song Saa Foundation. Was als Müllsammelaktion begann, umfasst heute eine Vielzahl von Projekten an Land, im Meer und in den Gemeinden. Das Marine Conservation Center kümmert sich in Zusammenarbeit mit Meeresbiologen um den Schutz und Wiederaufbau von Korallenriffen, die Aufzucht von Meeresschildkröten und eine nachhaltige Fischerei. An Land sind Schulen, eine Gesundheitsversorgung und ein Abfallsentsorgungssystem entstanden. Workshops und ein vielfältiges Team von Experten unterstützen die Dorfbewohner mit Fortbildungen rund um Themen wie Landwirtschaft und Erziehung. Mikrokredite bieten neue Perspektiven für den Lebensunterhalt.

Sustainable Tourism

Finanziert wird die Arbeit der Foundation durch Spenden – und das Luxusresort Song Saa Private Island, das Melita und Rory 2012 auf einer kleinen, der Hauptinsel Koh Rong vorgelagerten, Privatinsel eröffneten. Und auch hier fällt Song Saa aus dem Rahmen: Dass das Schlagwort „Sustainability“ heute in der Tourismusbranche zu einem regelrechten Trend geworden ist, darüber schrieb ich bereits an anderer Stelle. Und auch darüber, dass leider nicht wenige Betriebe bei der Förderung von Projekten weniger die Nachhaltigkeit im Sinn haben, als vielmehr einen positiven Effekt auf ihre Marketing- und PR-Bemühungen. Nicht so auf Song Saa. Das Hilfsprojekt startete viele Jahre vor der Eröffnung des Resorts. Es wurde nicht, wie andernorts, ins Leben gerufen, um dem Hotel einen nachhaltigeren Anstrich zu verpassen, sondern vielmehr dient das Hotel der Finanzierung der Foundation.

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Song Saa Foundation

Gäste der Song Saa Private Island sind herzlich eingeladen, sich selbst vor Ort auf Koh Rong ein Bild von der Arbeit der Organisation zu machen. Und so steigen wir an einem stürmischen Tag, die ersten Vorboten der bald einsetzenden Regenzeit ziehen am Himmel entlang, mit Emma auf ein kleines hölzernes Longtailboot. Hüpfend und tanzend bahnt sich das flache Schiff seinen Weg über die Wellen. Emma, Weltenbummlerin, Soziologin und Mitarbeiterin der Foundation, gibt uns derweil einen ersten Überblick auf die Arbeit der Foundation. Das Boot am Dorfpier festzumachen, ist bei diesem Seegang unmöglich. Also landen wir etwas weiter entfernt an einem geeigneteren Jetty an. Straßen und Autos gibt es auf Koh Rong nicht und so geht es zu Fuß weiter über die Insel.

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Trotz des stürmischen Wetters ist es drückend heiß. Die Schwüle macht jeden Schritt mühsam. Dennoch höre ich von unseren Kids kein Gejammer. Neugierig betrachten sie die fremde Welt. Als Erstes erreichen wir die Schule, in der heute kein Unterricht stattfindet. Staunend stehen die beiden mit Emma in einem einfachen und für unsere Verhältnisse rudimentär ausgestatteten Klassenzimmer und hören ihre Erklärungen dazu, welch ein Privileg die Schulausbildung für die Kinder des Fischerdorfs bedeutet.

Prek Svay

Kurz darauf werden wir von einer johlenden Kinderschar begrüßt. Ganz offensichtlich ist Emma hier extrem beliebt. Zwei kleine Mädchen verstecken sich schüchtern hinter ihren Beinen und werfen neugierige Blicke auf die unsere zwei, so fremd aussehende, Kids. Ein vielleicht vierjähriger Junge klettert behände auf Emmas Arm, schmiegt sich an ihren Hals und wird dort zufrieden während des gesamten Dorfrundgangs sitzen bleiben.

Weiter geht es durch Prek Svay, so heißt das Fischerdorf, entlang einfacher Behausungen und kleiner Läden. Schweine suhlen sich nicht im Dreck, sondern liegen direkt auf den Decks der Bretterbuden über dem Wasser. Lachend jagen ein paar ältere Kinder vorbei und lassen einen selbst gebastelten Drachen steigen. Aus einer nahe gelegenen Hütte dringen Gesang und Wortfetzen zu uns. Scheinbar wird dort gerade irgendwer oder irgendetwas gesegnet. Vom Dachstuhl des künftigen Tempels dröhnt lautes Hammerklopfen. Mönche in orangefarbenen Kutten, meist noch Teenager, bauen hier am neuen Gotteshaus. Direkt daneben steht das Communitycenter, gebaut aus Geldern der Foundation. Schautafeln klären über gesundheitliche Fragen auf, im Obergeschoss befindet sich eine Bibliothek, die Eingangsebene öffnet sich in den Lehrgarten.

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Der Weg in eine bessere Zukunft

Und dann müssen wir den Besuch sehr plötzlich abbrechen. Ein junger Mann kommt aufgeregt auf uns zugelaufen. Ein Dorfbewohner ist scheinbar grundlos zusammengebrochen und nun bewusstlos. Emma, die ein bisschen Khmer versteht, ist sofort alarmiert. Sie macht auf dem Absatz kehrt und läuft zurück zum Boot, den Arzt der Song Saa Foundation abholen. Auch einer der kleinen Fortschritte vor Ort. Wer bis vor ein paar Jahren nur mit Hausmitteln behandelt werden konnte, wird jetzt medizinisch versorgt.

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Für die Fischer und ihre Familien ist Prek Svay auch heute nicht das Paradies, das die Reisenden im Koh Rong Archipel sehen. Aber dank der Arbeit von Menschen wie Melita und Rory Hunter ist das Leben hier um einiges menschenwürdiger und einfacher geworden. Der Weg dorthin heißt nachhaltiger und ökologisch verantwortungsvoller Tourismus. So wird sichergestellt, dass die Lagunen auch in Zukunft türkis in der Sonne leuchten, die Strände weiß vor sich hin glitzern – und dass die Suche nach dem Paradies ihre Früchte auch auf die kleinen Inseln und in die entlegenen Dörfer trägt.



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