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Teeplantage – Folklore oder…?

“Folklore” – definitiv das Unwort, das meine Liste der Reise-Unwörter anführt. Folklore, das ist für mich die Flamenco-Show in Torremolinos, der Shisha-Abend im Touri-Palast in Marokko, die Kamel-Tour auf Djerba oder die Baströckchen-Tanzgruppe im Clubhotel von Puerto Rico. Egal in welcher Form – mir stellen sich augenblicklich die Nackenhaare auf. Umso begeisterter war ich von der Idee, einen Zwischenstopp an einer “alten – aber noch in Betrieb befindlichen Teeplantage” in den Highlands von Sri Lanka einzulegen.

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Kaum angekommen bestätigten sich meine schlimmsten Befürchtungen. Die Auffahrt mündete auf einen kleinen Parkplatz, auf dem sich die Minibusse für individual reisende Touristen stapelten.

Angrenzend befand sich der obligatorische, moderne Komplex aus Schnellrestaurant mit “landestypischem” Spezialitätenbuffet und Souvenirshop – selbstverständlich ausgestattet mit kleinen 10-Gramm-Teekistchen und Geschenksets, die vermutlich für einen Hungerlohn in Indien eingetütet worden waren und hier zu Preisen verkauft wurden, von denen eine durchschnittliche, ebenfalls  Tee trinkende, ceylonesische Familie die Monatsmiete bezahlen kann.

Nachdem wir erfolgreich mit Sandwiches und Pommes ausgestattet waren, das leicht abgegessene Spezialitätenbuffet machte mit seinem ziemlich gammeligen Eindruck keine wirkliche Lust auf mehr, ging es nach einem horrenden Eintrittsgeld in die “traditionelle” Teefabrik. Als Erstes fiel die Leere der “immer noch in Betrieb befindlichen” Produktionsräume auf.

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Nach einer ausführlichen Erklärung des Guides zu den Trockenanlagen, verschiedenen Teesorten, grünen Spitzen und ganzen Blättern, ging es dann wieder hinab in die Produktionsräume.

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An den verschiedenen Maschinen arbeiteten hier tatsächlich Menschen. Frauen und Männer mit grünen Haarhauben bedienten die antiken Geräte und verfrachteten die Teeblätter auf ihre Förderbänder in Richtung Verpackung. Kaum sahen sie die Kamera, stellten sie sich bereitwillig als Fotomotiv zur Verfügung – um Sekunden später drängend ein entsprechendes Trinkgeld einzufordern. Der Rundgang endete in der Lagerhalle, in der pittoresk aufeinandergestapelte Säcke auf ein letztes Abschlussfoto warteten – um kurze Zeit später in den Ausgangsbereich zu führen, in dem Mitarbeiter mit “Klingelbeuteln” für den weiteren Erhalt der “historischen” Anlagen sammelten.

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Das Gesicht der echten Teeproduktion, zeigt sich dann wenige Meter nach der Abfahrt von der Plantage. Entlang der Straße und der Berghänge drängen sich ärmlich Hüttensiedlungen, die von tamilischen Wanderarbeitern errichtet worden sind. Für einen Hungerlohn, der häufig nicht mal die Kosten für Nahrung und Unterkunft der Familie deckt, schuften sie hier im fruchtbaren Hochland auf den Gemüse- und Blumenfeldern und in den Teepflanzungen. Die Höhenlage, die für die Fruchtbarkeit der Region sorgt, bringt auch extrem kalte Nachttemperaturen mit sich. Brennholz und andere Heizstoffe sind Mangelware in den Unterkünften der Wanderarbeiter, die nach Jahren des Bürgerkriegs einen Neuanfang in wirtschaftlich vielversprechenderen Regionen der Insel suchen. Die Nachwirkungen des Krieges, in dem tamilische Separatisten im Norden Sri Lankas gegen die ceylonesische Mehrheitsbevölkerung um einen unabhängigen Staat kämpften, sind noch immer spürbar. Die Worte unseres ceylonesischen Fahrers beim Anblick der bedauernswerten Ansiedlungen der tamilischen Wanderarbeiter, waren für mich jedenfalls weder nachvollziehbar, noch habe ich Verständnis dafür. Meine Meinung zum Thema “Folklore” dagegen, hat sich hier wieder einmal bestätigt.

Und die Kids? Die Große hatte eine Meinung dazu. Sie hat den Teil des Trips zur “langweiligste Pause” der Reise und die Hüttensiedlungen zum “traurigsten Menschen-Dorf” erklärt. Was mich wiederum sehr freut. Auch wenn sie noch klein sind, nehmen die Kinder ihre Umgebung bewusst war und können die gemachten Erfahrungen einordnen.

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